Um es gleich vorauszuschicken: dies ist ein Bettelbrief, mit dem ich Sie/Euch um einen Beitrag zu einem Crowdfunding-Projekt bitte, das ich unter dem Arbeitstitel „World on a string” auf Indiegogo gestartet habe.
Liebe Freunde, nahe oder ferne Bekannte, Menschen mit einem guten und möglicherweise groß(zügig)en Herzen,
ich schreibe Ihnen/Euch diesen Brief, weil Sie/Ihr aus den verschiedensten Gründen in meinem Adressbuch stehen/steht und ich Ihnen/Euch zutraue, mein Anliegen zu unterstützen und so zu einer guten Sache beizutragen.
Allen, die bis hierher gelesen haben und die nicht schon beim Wort „Bettelbrief“ die Löschtaste gedrückt haben, danke ich ausdrücklich. Ich habe durchaus Verständnis, wenn einige von Ihnen/Euch in genau diesem Moment nach einer Anleitung googeln, wie sich ihr vermaledeiter Spamfilter optimieren lässt …
Mein Anliegen ist, einen Dokumentarfilm über ein wunderlich-schönes, irgendwie aus der Zeit gefallenes, immer ein bisschen vom Aussterben bedrohtes, zauberhaftes und ja, auch berührendes italienisches Marionettentheater zu produzieren: die Compagnia Marionettistica Carlo Colla & figli aus Mailand.
Ich bin nicht der Mensch, der aus Eigennutz andere anschnorrt oder der leichtfertig mit dem Geld anderer Menschen umgeht.
Ich wage zum ersten Mal ein Crowdfunding, weil ich ein Anliegen habe, von dem ich überzeugt bin, von dem ich denke, dass es sinnvoll, nützlich, zeitgemäß und ja auch wichtig ist und weil es länger hält als vieles, für das wir sonst so manches Mal Geld zu zahlen bereit sind.
Crowdfunding funktioniert, weil möglichst viele Menschen mehr oder weniger, kleinere oder größere Beträge für ein Projekt geben (und dafür auch etwas bekommen können) und dieses Projekt in ihren Netzwerken teilen, damit am Ende noch mehr Menschen davon Kenntnis erhalten, die ihrerseits beitragen und teilen … und beitragen und teilen … und beitragen …
Warum um Himmels Willen ein Film über ein altes Puppentheater? Wir haben doch jetzt Internet!
Viele von Ihnen/Euch wissen, dass mein Team und ich im Mai 2014 für Arthaus Musik die Händeloper „Rinaldo“ mit der großartigen Lautten Compagney Berlin und eben dieser Compagnia Marionettistica Carlo Colla & figli für DVD, Blu-ray und Audio-CD aufgezeichnet und produziert haben. Damals lernte ich „die Collas“ zum ersten Mal kennen: vier Tage begegneten wir uns auf den Gängen und hinter den Kulissen des Barocktheaters im Schloss Ludwigsburg. Und ich merkte vom ersten Moment an: Das hier ist wirklich etwas ganz anderes. Und dieses Andere begann mich zu interessieren.
Die Collas sind scheue, stille, gewissenhafte Arbeiter. Jede Art von Pose oder Starallüren liegt ihnen fern. Schon lange vor Vorstellungsbeginn trägt jeder nicht etwa Kostüm, sondern … Arbeitskleidung. Flüsternd stehen sie in kleinen Gruppen in den Kulissen, letzte Handgriffe werden erledigt, jeder kämpft auf seine Art gegen das Lampenfieber, während die Spannung spürbar an jedem Nerv nagt.
Unvergessen für mich ist, als ich miterlebte, dass die Marionette der Zauberin Armida schon eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn wild gestikulierend mit ihren Drachen schimpfte.

Vor Vorstellungsbeginn ermahnt die Zauberin Armida ihre Drachen, sich doch bitteschön auch drachenhaft zu benehmen.
Vor langer Zeit als Familienbetrieb gegründet sind die Collas heute längst nicht mehr verwandtschaftlich verbandelt – der letzte „echte“, blutsverwandte Colla, Eugenio Monti Colla, starb im vergangenen November – und doch verbindet sie immer noch der Geist der Gründerfamilie, ein Wille, dieses Relikt aus längst vergangenen Tagen zu bewahren, die jahrhundertealte Tradition ihrer Kunst durch unermüdliche Arbeit am Leben zu erhalten, und so sind sie am Ende doch eine Familie – besonderer Art.

Überm „Blaumann” der rote Fleece-Pullover und leises Tuscheln: in einer Stunde beginnt die Vorstellung
Ich hatte einiges gehört über die Collas, dass hinter den Mauern eines Kirchhofs in einem leicht angeranzten Milaneser Vorort, unweit einer Metro- und Straßenbahn-Endstation ein bemerkenswerter Zauber webt und waltet, dass dieser Platz verwunschen wirkt und irgendwie magisch sei’s dort sowieso … von Tausenden und Abertausenden Einzelstücken im Depot, von verwinkelten Werkstätten, von unendlich vielen Fäden, handgeschnitzten Puppenköpfen, Pappmaschéeinhörnern, Kulissen, Theaterzauber aller Art war da die Rede und dass die Puppen nicht nur diese wunderschönen, sorgfältig handgearbeiteten Kostüme tragen, sondern ihnen von den Collas in deren schier grenzenlosen Detailversessenheit sogar Unterwäsche angezogen wird als wären sie menschliche Wesen …

… hinter den Mauern eines Kirchhofs in einem leicht angeranzten Milaneser Vorort, unweit einer U- und Straßenbahn-Endstation befindet sich ein verzauberter Ort: die Ateliers der Collas
Diesen Ort wollte ich unbedingt mit eigenen Augen ansehen. Es sollte weitere anderthalb Jahre dauern, bis es dazu kam. Wie das so ist: der eine oder der andere Film kommen dazwischen.
So war es ein sehr heißer Mittjulitag, der letzte Arbeitstag der Collas vor der Sommerpause und zufälligerweise mein (somit wirklich besonderer und unvergessener) 50. Geburtstag: Während etwa vier Stunden drehte ich mit iPhone und DSLR-Kamera Bilder, von denen ich einige in diesem Trailer montiert habe, weil ich schon diese Eindrücke von damals gerne mit anderen teilen wollte.
Dieser halbe Tag bei den Collas in Mailand besiegelte meinen Entschluss, mich mehr mit dieser eingeschworenen Gruppe zu beschäftigen und am Ende all dieser Gedanken schien die Idee eines Dokumentarfilms auf, über die Collas, für die Collas.
Bauernschwänke und große Oper
Dieser Gruppe Menschen, die zu gleichen Teilen Handwerker wie Künstler sind, deren Handwerk und deren Kunst ein wenig aus der Zeit gefallen scheinen. Einst waren sie ein Nationaldenkmal, im 19. Jahrhundert Popstars in der Metropole Mailand, sie trugen Ballette und Opern aber auch etwas derbere Schwänke der commedia dell’arte von ihrer Heimatstadt Mailand hinaus auf’s Land, gastierten in der Provinz und begeisterten dort manchmal wochen- und monatelang en suite ihr staunendes Publikum. Legendär sind ihre Kooperationen mit dem teatro alla scala (der berühmten „Scala“), die sie endgültig in den Olymp des Marionettentheater des 19. Jahrhunderts hoben und ihre Bekanntheit weit über die Grenzen des Piemonte hinaus verbreitete.
Die Collas erlebten viele Aufs und Abs, Mitte des 20. Jahrhunderts gab es sie eine Zeitlang gar nicht mehr, bis dann in den Sechzigern eine Wiederbelebung stattfand. Inzwischen touren sie sogar hin und wieder durch Europa und die USA.
Was das alles soll
Das sind einige der Gründe, wie es zur Idee zu einem Dokumentarfilm über die Collas kam. Ich möchte gerne mit Ihnen/Euch und mit vielen Menschen mehr die Einblicke in eine sonst verborgene Welt teilen, möchte in einem betont ruhigen, hoffentlich auch etwas poetischen Film, diesen stillen, bescheidenen Menschen auf die Spur kommen, ich möchte mit Ihrer/Eurer Hilfe dieser Gruppe von Marionettenspielern gerne ein unserer visuell-medialen Zeit gemäßes Denkmal setzen.
Der Film soll auch ein Film für die Collas sein, den sie für ihre Zwecke einsetzen wollen.
Der fertige Film ist zur Veröffentlichung auf DVD gedacht, gerne wollen wir ihn auch auf Festivals schicken, vielleicht wird er in Kinos laufen – alles mit dem Ziel, die Geschichte der Collas möglichst vielen Menschen zu erzählen und sie für dieses Kleinod europäischer Kultur- und Theatergeschichte, für diese vom Aussterben bedrohte Kunst zu interessieren.
Ein Jedes hat seine Zeit: Und die Zeit für diesen Film ist jetzt, in diesem Jahr. Das Jahr, in dem die Collas ein eigenes Museum eröffnen werden, das Jahr, in dem die Collas Teile ihrer Werkstätten verlegen und ihre Präsenz im Mailänder Piccolo teatro Grassi ausbauen, das Jahr, in dem sie den „Sommernachtstraum“ neu einstudieren, das Jahr, (Homer ist ein guter dramaturgischer Ratgeber. Das gilt auch für diesen Film: Schick Deinen Helden auf die Reise!:) in dem sie in die USA reisen werden.
Von den Kosten einer Herzenssache
Jeder, der eine grobe Idee davon hat, was die Produktion eines länger als einstündigen Dokumentarfilms kostet, weiß, dass das per Crowdfunding aufgerufene Finanzierungsziel sehr, sehr knapp kalkuliert nur etwa die Hälfte der Kosten abdecken kann. Die angepeilten 49.000 $ entsprachen am Tag des Kampagnenstarts einem Umrechnungsergebnis von genau 40.000 €.
Doch dieser Film ist inzwischen zu meiner Herzenssache geworden.
In meiner Vorstellung kreisen schon Bilder, Szenen, Farbstimmungen, Interviewsituationen und sogar schon Musiken, die sich perfekt in den Film einfügen werden, um die Dokumentation zu einem wirklich berührenden Erlebnis für jeden Zuschauer zu machen. Erfreulich wäre, wenn das Finanzierungsziel erreicht, oder gar überboten werden könnte, weil alle Mehrerlöse dem Film zugute kommen werden. Wird das Finanzierungsziel nicht erreicht, wird es den Film trotzdem geben. Es könnte dann nur etwas länger dauern. So ist das mit Herzenssachen, da muss man einfach dranbleiben.
Horrorfilme haben gute Chancen, via Crowdfunding ihre Finanzierungsziele zu erreichen. Mein Film wird aber kein Horrorfilm. Mein Film wird auch kein Rührstück, sein Gegenstand ist weder traurig noch einsam noch krank noch sozial benachteiligt noch sonst irgendwie Mitleid erregend und noch nicht einmal spirituell erleuchtend. Alles Gründe, die eigentlich gegen Gebebereitschaft sprechen.
Aber lassen Sie/lasst uns gemeinsam einen Film über die Collas möglich machen, der einen Einblick in eine zauberhafte Welt zwischen Schraubstöcken und Lötkolben, Spielkreuzen, ratternden Nähmaschinen, Farb- und Leimtöpfen geben wird. Er wird denjenigen einen Platz in der Wahrnehmung einer breiteren Öffentlichkeit geben, deren Handwerk und deren Kunst aus einem vergangenen Jahrhundert stammen und sich heute noch in einem zunehmend rar gewordenen Lebensraum gegen das Aussterben stemmen. Vielleicht wollte der Eine oder Andere von Ihnen/Euch schon immer mal seinen Namen in den credits eines internationalen Films lesen oder gar etwas so ganz anderes tun wie etwa Produzent eines Dokumentarfilms zu sein. Man sagt, so ein private screening soll auch eine tolle Sache sein (um nur einige „Perks” zu erwähnen).
Ich beabsichtige mittels Crowdfunding wichtige und notwendige Kosten abzudecken für die Anmietung von Technik, Team-, Reise-, Übersetzungskosten.
Crowdfunding basiert darauf, dass möglichst viele Menschen zu dem Projekt beitragen: finanziell, aber auch indem sie das Anliegen in ihren Netzwerken verbreiten, um die Aufmerksamkeit zu vervielfältigen. Man kann seinen finanziellen Beitrag einfach so leisten oder einen (auf Indiegogo) so genannten Perk erwerben.
Dies ist meine erste Crowdfunding-Kampagne überhaupt, logischerweise habe ich mich an schon vorhandenen Kampagnen orientiert. Ich bin nicht sicher ob diese angebotenen „Perks“ Ihren/Euren Geschmack treffen. Lassen Sie/lasst mich wissen, wenn Sie/Ihr eine eigene Idee für eine mögliche Gegenleistung über das Angebotene hinaus haben/habt. Wir werden uns gewiss einig werden. Und bitte neben einem Beitrag das Teilen der Kampagne nicht vergessen.
Fragen beantworte ich gern.
Bitte unterstützen Sie/unterstützt das Projekt mit einem Beitrag auf Indiegogo.
oder mittels klassischer Überweisung:
IBAN: DE90 6415 0020 0001 4332 50
BIC: SOLADES1TUB
Kontoname: Axel Nixdorf
Betreff: Colla
Für via Konto überwiesene Beiträge stehe ich selbstverständlich im selben Maße wie auf Indiegogo angekündigt ein.
Wenn Ihnen/Euch der Gegenstand des Films nicht zusagt, wenn Sie/Ihr sich nicht für einen Beitrag überzeugen lassen wollen/wollt oder können/könnt, dann seien Sie/seid so gut und teilen/teilt diese Kampagne. Denn Aufmerksamkeit ist durchaus auch eine Währung.
Danke.
Axel Nixdorf
P.S.: Alle diejenigen, denen ich mit meinem Anliegen möglicherweise zu nahe trete, bitte ich um Verzeihung. Bitte bleiben Sie/bleibt mir gewogen.
5 Comments
Malu Schultheis
März 19, 2018Wonderful idea. We wish you success.
Gerolamo
März 20, 2018Thank you, Malu. I appreciate your support.
Christian Michelsen
März 20, 2018Spende folgt, x Freunde wurden aufgerufen, gleich zu tun
Gerolamo
März 20, 2018Vielen Dank, das freut mich sehr. Jeder Beitrag hilft dem Projekt.
Herma & Ulrich Michelsen
März 21, 2018A really wonderful (full of wonder!) project. We all need it as the children we are. We are bowing to the La Compagna
Marionettistica!